Zündfunke, 28.11.14

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Er ist groß, stark, jung und gesund, liebe Schwestern und Brüder. Und doch sitzt er da wie ein Häuflein Elend. „Wie soll das weitergehen?“ schluchzt er. „Ich habe alle Hoffnung verloren!“ Und dann erzählt er: Ganz plötzlich, über Nacht, hat er seinen Glauben verloren. Er hat Nachrichten von den jüngsten Terroranschlägen weltweit gehört, und da ist ihm klargeworden, wie gefährdet die Welt ist. „Warum lässt Gott das zu?“ hat er sich gefragt. „Warum greift Gott nicht ein? Da ist mein Glaubensfaden gerissen. Er ist weg, einfach weg.“ Ich staune, wie sehr ihm dies den Boden unter den Füßen wegreißt. „Solche Gedanken hatte ich zuvor noch nie“ sagt er dann. „Ich war immer ganz sicher, dass mir nichts passieren kann. Weil Gott seine Hand über mich hält.“ Dann weint er wieder, und sagt nach einer Weile leise: „Aber wo ist Gott?“ „Sie möchten Ihn unbedingt wieder finden“ antworte ich. „Ja“ ruft er und ringt die Hände. „Unbedingt. Ich kann nicht leben ohne Gott.“ Er ist tief erschüttert. Und mit ihm sein Kinderglaube. Offenbar hat er sich vorgestellt, das Glück sei immer bei ihm und Gott immer dann zur Stelle, wenn er ihn gerade brauche. Bisher hat er einen Teil der Wirklichkeit, den dunklen Teil, einfach ausgeblendet. Und nun erkennt er in grellem Licht: Auch gläubige Menschen bleiben auf ihrem Lebensweg nicht unversehrt. Ich erzähle ihm, dass er damit in guter Gesellschaft ist. Mit großen Augen schaut er mich an. „Also geht es nicht nur mir so?“ Aber nein, sage ich. Die Bibel erzählt von vielen Menschen, die an ihrem Gott irre geworden sind und nicht mehr weiterwissen. Ich erzähle ihm vom Propheten Jeremia. Der jammert und klagt, weil er das Ende des babylonischen Exils herbeisehnt. Wird Gott endlich eingreifen? Wird dann alles wieder gut? Jeremia klagt und klagt, weil die Welt nicht mehr so ist, wie er sie sich wünscht. Er klagt Gott an, der die Welt nicht so macht, wie Jeremia sie gerne hätte. Jeremia muss sich damit abfinden, dass Gottes Pläne anders sind. „Wird meine Krise vorbeigehen?“ fragt der junge Mann. Sie wird sicher vorbeigehen, sage ich ihm. Aber wie sie ausgeht, ist offen. Er wird auf jeden Fall gereifter sein. Es könnte sein, dass er Gott dann mit neuen Augen sieht: nicht als einen, der alle kindlichen Wünsche erfüllt. Sondern als einen, der im Heil und im Unheil mit ihm geht.

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