Psychosomatische Therapie

Was damit gemeint ist, haben wir als Kinder oft erfahren, wenn wir hinfielen und vor Schreck zu weinen anfingen. Im Arm der Mutter, die uns aufhob und streichelte, war der Schreck augenblicklich verschwunden, es tat nichts mehr weh, die Tränen versiegten und nach ein paar Minuten war alles vergessen. Die Harmonie der erschreckten Kinderseele mit dem noch unbeholfenen Körper war wieder hergestellt. Der Zusammenhang von Seele und Körper bleibt lebenslang untrennbar bestehen. Wenn Freude unser Herz höherschlagen läßt, wenn Zornesröte in uns aufsteigt, der Angstschweiß ausbricht oder wenn es kalt über den Rücken läuft, spiegeln körperliche Empfindungen seelisches Erleben. Daß Körper, Seele und Geist eine Einheit bilden,

gehörte schon in der Antike zu den Grundvorstellungen der Heilkunst. Sie galten so lange, wie das Behandeln von Krankheiten in den Händen von Ärzten lag, die zugleich Priester waren. Die Trennung der Funktionen ist anscheinend sehr früh vollzogen worden. Bei Hippokrates (460 – 377 v. Chr.) stand der Körper im Mittelpunkt der ärztlichen Interessen. Schon Platon, der Philosoph und Zeitgenosse (427 – 347), rügte es als Fehler, Seele und Leib bei der Krankenbehandlung getrennt zu bewerten, obwohl sie doch als Ganzes gesehen werden müßten.

In unserer Zeit ist die Einheit von Leib und Seele zwar theoretisch unbestritten, aber praktisch beachtet wird sie vorwiegend in der Naturheilkunde und dem Fachbereich Psychosomatik, der sich bei organischen leiden selbstverständlich auf Erkenntnisse anderer Fachrichtungen der Schulmedizin stützt. Wo Diagnosen verwandter Disziplinen vorliegen, etwa der Psychoanalyse, werden sie aus psychosomatischer Sicht ebenfalls in Betracht gezogen. Grundsätzlich gilt, daß jeder seelische Konflikt sich irgendwie im Körpergeschehen bemerkbar macht. Umgekehrt finden körperliche Leiden im psychischen Bereich eine mehr oder minder deutliche Ausprägung. In der psychosomatischen Praxis laufen Erkenntnisfäden verschiedener Disziplinen zusammen. Daraus geht hervor, daß die Psychosomatik zwar von vielerlei medizinischen Fachrichtungen abhängig ist, aber andererseits durch die Kombination von deren Ergebnissen eine ganzheitlich orientierte Heilmethode im Sinn der klassischen Naturheilkunde darstellt.


Welche Krankheiten als psychosomatisch anzusehen sind?

Alle, deren Ursachen auf menschliche Konflikte zurückgehen. Dazu gehören beispielsweise, von der Kindheit angefangen, Lernschwierigkeiten in der Schule, Stottern und andere Sprach- oder Sprechfehler, Rotwerden ohne erkennbaren oder nennenswerten Grund, Probleme, die sich beim Übergang zur Pubertät herausstellen, Schuldgefühle in diesem Zusammenhang, aber auch Probleme, die in späteren Lebensjahren auftreten, zum Beispiel Unsicherheit im Umgang mit anderen, Platzangst (Agoraphobie) Störungen des Nervensystems (vegetative Dystonie), Bluthochdruck (Essentielle Hypertonie), Dickdarmentzündung (Morbus Crohn), Überfunktion der Schilddrüse (Hyperthyreose). Das Spektrum ist breit gefächert. Alle körperlich (somatisch) auftretenden Störungen, die sich infolge gegenwärtiger oder vergangener Konflikte einstellen, gehören dazu. Hier muß bedacht werden, daß die Zusammenhänge dem Patienten oft nicht bewußt sind. Es bedarf ausgiebigen, jedoch behutsamen Herausfragens von Seiten des Therapeuten, um den manchmal im Unterbewußtsein verschütteten Ursachen auf die Spur zu kommen. In der Regel wird der Patient froh sein, wenn ihm auf diese Weise aus seelischen Verstrickungen herausgeholfen wird, die vielfach keinen anderen aktuellen Bezug mehr für ihn haben, als den im somatischen Bereich „hängengebliebenen“ Krankheitsbefund.

Aus alldem geht hervor, daß keines der hier in Betracht kommenden Leiden allein auf psychosomatischen Wege behandelt werden kann. Da es im Wesen dieser Krankheit liegt, sowohl im Geistig-seelischen als auch im Körperlichen angesiedelt zu sein, muß ihre Behandlung aus beiden Richtungen zugleich eingeleitet werden. Wo die körperlich angreifende Therapie vorher versagte, wird sie in gleichem Maße greifen, in dem psychische Barrieren abgebaut werden. Wenn Heilkundige der jeweils beteiligten Fachrichtungen kollegial zusammenwirken, kann in den meisten Fällen vollständige Heilung erzielt werden. JBV