Zündfunke, 05.01.15

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Noch ist das neue Jahr voller unerfüllter Wünsche, liebe Schwestern und Brüder. Und wir alle hoffen, dass wenigstens ein klein wenig von dem wahr werde, was wir uns in der Silvesternacht oder am Neujahrsmorgen zugesprochen haben: Frieden und etwas mehr Sicherheit in dieser Welt, Gesundheit für uns selbst und gewiss auch, dass uns im Alltag die Liebe unserer Mitmenschen erhalten bleibt.Auf einem Kalenderblatt fand ich dazu eine schöne Geschichte: Ein junger Mann war auf dem Weg zum nächsten Markt. Er hatte einen großen Kupferkessel auf den Rücken geschnallt, in der rechten Hand hielt er ein gackerndes Huhn und einen Wanderstab, und an der linken Hand führte er eine Ziege. Er ging so seines Weges, bis er an einer Weggabelung auf ein bildhübsches Mädchen traf. Dieses kam aus einer anderen Richtung, wollte aber auch zum Markt. Deshalb gingen sie jetzt gemeinsam weiter. Nach einer Weile kamen sie an eine finstere Bergschlucht. Das Mädchen blieb verängstigt stehen und sagte: „Nein, durch diese einsame Schlucht gehe ich nicht mit dir. Denn du könntest die Gelegenheit ausnutzen, um mich zu umarmen und dann zu versuchen, mich zu küssen.“ Worauf der Junge sich wehrte und ganz entgeistert sagte: „Wie sollte ich Dich denn umarmen und küssen? Ich habe einen Kupferkessel auf dem Rücken, an der einen Hand führe ich die Ziege, und in der anderen Hand halte ich ein Huhn und einen Stock.“ Aber das Mädchen ließ sich nicht von seinen Gedanken abbringen. Deshalb sagte sie zu ihm: „Nun, Du könntest das Huhn auf die Erde setzen und den Kessel darüber stülpen, den Stock fest in den Boden stecken und die Ziege daran binden, und dann könntest Du mich umarmen und küssen.“
Jetzt war es an dem jungen Mann entgeistert dreinzuschauen. Mehr als nachdenklich starrte er das Mädchen an und entgegnete: „Gott segne Deine Weisheit.“ Und gemeinsam setzen sie ihren Weg fort.
Liebe, so sagt es uns diese Geschichte, macht erfinderisch. Sie lässt selbst eine finstere Schlucht als einen Raum ungeahnter Möglichkeiten erscheinen. Weil das so ist, darum preist auch der Apostel Paulus in seinem Hohen Lied die Liebe höher als alles andere – höher noch als Glaube und Hoffnung. Denn die Liebe enthält alles andere. Sie setzt nicht nur mich in ein besonderes Verhältnis zu mir selbst und zu meinem Gegenüber, sondern bringt mich auch in Berührung zum tragenden Geheimnis meines Lebens. Vor allem aber öffnet sie den Blick für neue und ungeahnte Möglichkeiten.

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