Zündfunke, 09.12.14

Andrea Bolz, Deutschsprachige katholische Gemeinde, Puerto de la Cruz
Liebe Schwestern und Brüder!
In der Adventszeit gibt es eine alte kirchliche Tradition aus dem 7. Jahrhundert nach Christus, bei der Jesus mit Titeln angerufen wird, die aus dem Alten Testament stammen. Die Anrede beginnt jeweils mit „O“, – als Ausdruck froher Erwartung. Deshalb werden diese Anrufungen auch
„O-Antiphonen“ genannt. Eine davon lautet: „O Weisheit aus des Höchsten Mund, die du umspannst des Weltalls Rund und alles lenkst mit Kraft und Rat, komm, weise uns den rechten Pfad“.
Wenn ich mich mit Weisheit beschäftige, dann scheint das uferlos zu sein. Die Weisheit reicht so tief und geht so weit, dass sie nicht zu fassen ist. Sie entzieht sich letztendlich dem menschlichen Zugriff.
Der Ursprung der Weisheit ist rätselhaft. Die Bibel versucht es mit eigenen Erklärungen:
„Verhüllt ist sie vor den Augen aller Lebenden . . . Unser Ohr vernahm von ihr nur ein Raunen. Gott allein weiß den Weg zu ihr. Er nur kennt ihren Ort.“ (Ijob 28,20-23)
Dann steht da aber auch. Der Weisheit ist es „eine Freude, eine Wonne, bei den Menschen zu sein.“ (Sprüche 8,22-31)
Die Bibel hat eine lange Weisheitstradition und eine beachtliche Weisheitsliteratur. Das sind praktische Beobachtungen und Erfahrungen, aber nichts einheitliches, nichts, was uns die Weisheit wirklich und klar definiert. Die Bibel teilt ihre Weisheitstradition mit der anderer Kulturen und Religionen. Sie ist gewissermaßen interkulturell und interreligiös verankert. Jesus übernimmt eine alte ethische Weisung der Menschheit, die sogenannte „Goldene Regel“: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ (Matthäus 7,12) Das ist ein ethischer Kern in allen großen Religionen. Alles in allem, gar nicht so einfach mit der Weisheit. Aber eins weiß ich sicher:
Ich möchte die für mich richtige Lebensweisheit erbitten und immer wieder Menschen begegnen, die Weisheit ausstrahlen.

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