Lesung: Jes 52, 7-10 / Evangelium: Joh 1, 1-5.9-14
Liebe in der Festfreude von Weihnachten versammelte Schwestern und Brüder!
Wenn wir die Wochenendausgaben großer Tageszeitungen betrachten, dann entdecken wir seitenweise Mietgesuche. Was aber würden Sie denn von folgendem Mietgesuch halten: „Suche Wohnung mit möglichst vielen Räumen. Der Ehrlichkeit halber möchte ich Sie aber gleich warnen: Ich bin kein einfacher Mieter, und wenn Sie sich auf mich einlassen, dann werden Sie schon Ihre Wunder mit mir erleben.“Ich merke schon: Auch Sie können sich nur schwerlich vorstellen, dass jemand auf die Idee kommt, eine solche Anzeige aufzugeben. Und wahrscheinlich denken Sie jetzt auch: Wer es trotzdem tut muss sich dann auch nicht wundern, wenn keiner darauf antwortet. Aber ich kenne jemanden, der hat genau eine solche Idee gehabt. Und die Unterschrift unter dieser Anzeige lautet schlicht und ergreifend: Gott!
Wie ich darauf komme? Nun, wenn wir mal genauer in die Heilige Schrift schauen und vor allem zwischen den Zeilen lesen, dann entdecken wir dieses Mietgesuch Gottes beinahe auf jeder Seite dieses Buches. Überall blitzt seine Bitte auf: Lasst mich bei Euch wohnen! Stellt mir Eure Lebens- und Eure Zeiträume zur Verfügung. Ich bin zwar kein bequemer Mieter und ich werde Euch sicherlich auch ständig provozieren – provozieren zum Umdenken, zum Umkehren und zum Umbau Eures Lebenshauses; vielleicht auch zur Aufgabe so mancher wohligen Kuschelecken, in denen Ihr es Euch bequemlich gemacht habt. Aber Ihr werdet Euch wundern, was dann aus Eurem Leben werden kann, wenn Ihr mir diesen Platz einräumt. Ob wir uns wirklich auf ein solches Angebot einlassen möchten?
Einer hat diesen Mieter mit all den dargestellten Konsequenzen bei sich
aufgenommen. Heute begehen wir seinen Geburtstag – Jesus Christus. Er hat den wohnungssuchenden Gott ganz und gar in sich aufgenommen, hat ihm in all seinen Lebens-Räumen den notwendigen Platz eingeräumt. Lassen Sie uns einfach mal genauer hinschauen:
ER hat ihm zum Beispiel eine Wohnung geschenkt in seiner Sprache und in seinen Worten, die er wiederum anderen zugesprochen und geschenkt hat. Wie viele Menschen hat er mit seinen aufmunternden, seinen zärtlichen und verständnisvollen Worten aufgerichtet? Und wie viele haben so diese ganz andere, diese göttliche Kraft in seinen Reden, Bildern und Gleichnissen gespürt?
ER hat ihn eingelassen in seine Streitgespräche mit den Pharisäern und den Schriftgelehrten – und sie wurden so mit einem liebenden und für sie völlig unbequemen Gott konfrontiert.
ER hat ihm den Platz freigehalten bei seinen Mahlzeiten mit den Sündern und Zöllnern, den ausgegrenzten und an den Rand gedrängten Menschen – und viele haben so erstmals etwas von einem verzeihenden Gott in ihrem Leben erfahren.
ER hat ihn hineingenommen in seinen Umgang mit den Kranken und den Leidenden, den Trauernden und all jenen, die nicht mehr wussten, wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Aber in ihm haben sie die heilsame und von Zuwendung geprägte Nähe Gottes erleben und erspüren dürfen.
Ich meine schon, dass man zu Recht sagen kann: In diesem Jesus da hat Gott seinen ersten Wohnsitz gefunden. In ihm ist, wie es der Evangelist Johannes in seiner Botschaft ausgedrückt hat, das Wort Gottes Fleisch geworden, da hat es Hand und Fuß bekommen und hat unter uns Menschen gewohnt. Das war der Anfang, den wir heute festlich begehen. Aber sich nur zu erinnern, daraus quasi ein feierliches Gedenken mit guten Wünschen und Geschenken zu veranstalten, das würde diesem Fest schlussendlich nicht gerecht werden. Sicherlich: Weihnachten würde uns dann immer daran erinnern, dass Jesus geboren wurde. Keine Frage. Aber mehr eben auch nicht. Aber wenn wir wirklich daran glauben, dass das Wort Gottes Fleisch geworden ist – dann ist Weihnachten doch weit mehr. Dann wird aus dem Erinnern die Erkenntnis, dass dieser Gott auch heute in dieser Welt wirken will und wirken kann. Dazu braucht er allerdings Wohnraum unter uns Menschen – er braucht ihn in uns Menschen. Oder anders gesagt: Gott braucht heute viele Zweitwohnungen. Und je mehr von uns ihn bei sich einziehen lassen, desto menschenfreundlicher kann unser Leben und Zusammenleben werden. So lange viele von uns nach dem Motto leben: „Lobet den Herrn, aber haltet ihn mir vom Hals!“ – solange kann er bei uns nicht heimisch werden. Deshalb habe ich jetzt drei Weihnachtswünsche an Sie, die ich Ihnen gerne mit in dieses Fest und Ihren Lebensalltag geben möchte:
Zum einen: Stellen Sie Gott Ihre Herz-Kammern zur Verfügung und lassen Sie ihn nicht im hintersten Dachstübchen verkümmern. Bleiben Sie nicht bei der Erkenntnis stehen, dass es schon irgendwie ein höheres Wesen geben muss, sondern versuchen Sie, dem Glauben an den lebendigen Gott in Ihrem tiefsten Innersten ein Hausrecht zu geben. Lassen Sie sich die Zusage Gottes, dass wir von ihm unendlich geliebte Menschen sind, unter die Haut und zu Herzen gehen. Und nehmen Sie sich bitte zu Herzen, dass er jede und jeden von uns braucht, damit seine Botschaft auch heute Gehör in die-
ser Zeit findet.
Zum anderen: Stellen Sie Gott Ihre Dunkelkammern zur Verfügung und lassen Sie ihn dort das Bild vom gelingenden Leben entwickeln. Oder anders gesagt: Glauben Sie nicht, dass Gott mit den dunklen Seiten Ihres Lebens nichts zu tun haben will. Dass er sich zurückzieht, wenn Sie sich einsam und verlassen fühlen, krank und ohne Perspektive. Gerade in den Dunkelkammern Ihres Lebens will er Ihnen Bilder entwickeln, wie das Leben trotz Begrenzung und Einschränkung lebenswert bleibt; wie durchlittene Angst und Not mich reifer und mitfühlender machen können; wie das Erleben eigener Dunkelheit sensibler macht für das Dunkel anderer.
Und stellen Sie ihm als letztes einfach auch Ihre Rumpelkammern zur Verfügung und lassen Sie ihn aufräumen mit all dem Ballast, der sich da im Laufe der Jahre angesammelt hat. Lassen Sie ihn entrümpeln und hinauswerfen, was unnütz ist und was sie an Vorurteilen, Ausflüchten, an alter Schuld und alten Verletzungen mit sich herumschleppen.
Der gütige und uns liebevoll zugewandte Gott, ist auch heute noch auf Wohnungssuche. Und wenn wir heute das Geburtsfest jenes Menschen feiern, der ihm all seine Lebensräume geöffnet hat, dann sollte zu unserem Feiern auch das Versprechen gehören, diesem Gott auch in unserem Leben den notwendigen Platz einzuräumen. Lassen wir ihn bei uns einziehen, auch wenn er manchmal ein unbequemer Mieter ist. Aber ich bin überzeugt: Dann werden auch wir unsere Wunder mit ihm erleben – und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Amen.
Predigt an Weihnachten 2014
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