Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
Es gibt Begegnungen mit Menschen, die uns stärken und ermutigen, Schweres auzuhalten und anzunehmen. Eine solche Begegnung ist mir in Erinnerung aus der Zeit, als ich Klinikpfarrer war. Es war eine Begegnung mit einer Frau, die schwerkrank in der Intensivstation lag und ein Gespräch mit mir wünschte.
Aus seelsorgerlichen Gründen kann ich dieses Gespräch nicht näher ausführen, auch wenn es Jahre zurückliegt. Nur soviel möchte ich andeuten: Es war ein schweres Leben, in dem der Tod und eine psychische Krankheit von zwei ihr nahestehender Menschen zu verkraften waren. Da sie selbst ihren nahenden Tod spürte und auch darüber sprach, gab sie mir den Auftrag, an ihrer Stelle in einer psychiatrischen Klinik anzurufen, um Grüße zu bestellen.
Zur Begleitung von Sterbenden kann es gehören, dass wir mithelfen, Unerledigtes zu erledigen. Auch als Seelsorger – und das müssen nicht nur Pfarrer sein – sind wir lediglich Wegbegleiter auf einem Weg, den der Patient zu gehen hat.. Wichtig für die Begleitung ist das Zuhören.
Am Ende des Gesprächs kam die Patientin auf die Spiritualität zu sprechen. Sie verwies auf eine Strophe, die ihr im Leben – gerade auch in den schweren Zeiten – viel Kraft gegeben habe. Ich habe mir damals die Strophe in der Intensivstation aufgeschrieben, weil aus ihr so viel Trost und Ermutigung spricht. Ich habe sie anderen Patienten weitergegeben, was ich auch jetzt tue.
Die Strophe, die ich für mich auswendig gelernt habe, heißt:
„Brüder, alles Leid wird Licht, wenn wir es tragen als stille Pflicht. Wenn wir ihm – dem Leiden – wie einem Freunde begegnen, wird es zutiefst unsere Seele segnen. Wir sind wie der Acker; wir brauchen das Leid, um reif zu werden im Kampfe der Zeit, um Frucht zu tragen für die Ewigkeit.“
In diesem Sinne wünsche ich mir und Ihnen, dass wir uns vom Schweren des Lebens nicht unterkriegen lassen, sondern auf innerem Wege wachsen und reifen.
Helmut Müller, Pfarrer der Evangelischen Gemeinde Teneriffa Nord