Kapitel 3 des Predigers Salomo
von Pfarrer Helmut Müller
Wir hören anlässlich des Abschiedsgottesdienstes Bibelworte aus dem 3.Kapitel des Predigers Salomo. In diesem Abschnitt setzt sich der Verfasser aus dem 3. Jahrhundert vor Christus mit der Zeit, mit der Vergänglichkeit, auseinander.Wir hören aus dem 3.Kapitel die Verse 1-13:
1Alles hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:
2 geboren werden hat seine Zeit; sterben hat seine Zeit; Pflanzen hat seine Zeit, ausreißen, was gepflanzt ist, hat seine Zeit;
3 töten hat seine Zeit, heilen hat seine Zeit; abbrechen hat seine Zeit, bauen hat seine Zeit;
4 weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit, klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit;
5 Steine wegwerfen hat seine Zeit, Steine sammeln hat seine Zeit; herzen seine Zeit, aufhören zu herzen, hat seine Zeit;
6 suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit; behalten hat seine Zeit, wegwerfen hat seine Zeit;
7 zerreißen hat seine Zeit, zunähen hat seine Zeit; schweigen hat seine Zeit, reden hat seine zeit;
8 lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit; Streit hat seine Zeit, Friede hat seine Zeit.
9 Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon.
10 Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen.
11 Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt, nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
12 Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt, als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben.
13 Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.
Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Amen.
Liebe Gemeinde,
alles hat seine Zeit und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde – mit dieser Feststellung, der wir eigentlich nur zustimmen können, beginnt der Prediger seine Reflexion über die Zeit.
Wenn etwas Schönes zu Ende geht – und so habe ich die Monate meines Dienstes hier auf Teneriffa erlebt – dann schwingt beim Abschied auch etwas Schweres mit.
Anders ist es, wenn eine Zeit zu Ende geht, die mit Schwierigkeiten verbunden ist. Da kann die Aussage: Alles hat seine Zeit für uns auch tröstlich und befreiend sein.
Im gehörten Bibelabschnitt spannt der Prediger einen großen Bogen und erinnert uns an den Anfang und an das Ende unseres Lebens: Alles hat seine Zeit und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: geboren werden hat seine Zeit und sterben hat seine Zeit.
Was von den Eckpunkten unseres Lebens gilt, gilt auch innerhalb von Geburt und Tod: Wir erfahren das Werden und Vergehen auf der biologischen Ebene im Pflanzen und Ernten.
Wir können es erfahren auf der psychischen Ebene im Lachen und Weinen, im Lieben und Hassen und wir erleben die Veränderungen im sozialen Bereich im Umarmen und im Getrennt sein, im Behalten und Loslassen.
All diese Veränderungen, die im Predigerbuch aufgezählt werden, machen unser Leben aus, das niemals still steht und gerade in den Veränderungen angenommen sein will. Goethe hat dies in die Worte gefasst:
„Und solang du dies noch nicht hast, dieses Stirb und Werde, bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde.“
Das erste, was ein Kind tut, wenn es geboren wird, ist, dass es einatmet, und das letzte, wenn ein Mensch aus dieser Welt geht, ist, dass er loslässt und ausatmet.
Dieses Werden und Vergehen ist gleichsam ein Lebensprinzip und zeigt sich auch, wenn wir uns bewegen. Gehen vollzieht sich im Anheben und Aufsetzen des Fußes, und wer nicht loslassen kann, kommt auch nicht vorwärts.
Alles hat seine Richtigkeit, auch die Vergänglichkeit, der wir ausgeliefert sind. Die Konfrontation mit der Vergänglichkeit, wenn sie uns unerwartet trifft, kann den festen Boden, auf dem wir zu stehen meinen, zum Wanken bringen.
Es kann Situationen geben, wo man vielleicht resigniert fragt, wozu sich überhaupt auf das Leben einlassen, auch auf Beziehungen, wenn wir ja doch nichts festhalten können und alles früher oder später loslassen müssen?!
Im heutigen Text heißt es: Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon. Aufgrund dieser Aussage und anderer Aussagen im Predigerbuch, wo 38 mal der Satz steht: Es ist alles eitel und ein Haschen nach Wind, meinten manche Ausleger, das Predigerbuch sei ein Buch, das der Resignation das Wort rede.
Wer aber das Buch im Ganzen auf sich wirken lässt und genauer hinhört, der wird eines Besseren belehrt. Angesichts der Vergänglichkeit wird zwar vieles relativiert und in Frage gestellt wie Besitz, Macht, Wissen und Ansehen.
Aber diese Relativierung muss nicht in Resignation führen, sondern sie fordert uns auf, aufzuwachen und rechtzeitig nach dem Ausschau zu halten, was unserem Leben Ewigkeitswert verleiht. Man hat keinen Gewinn davon gilt von einem Leben, dass lediglich auf äußere vergängliche Dinge aufgebaut ist.
In der Mitte des Textes weist der Prediger auf Gott hin, der uns hilft, die Kostbarkeit der Zeit wahrzunehmen und entsprechend zu füllen. Mit seinen Augen, mit dem Herzen, gilt es, unser Leben zu sehen, damit wir erkennen, dass er alles schön gemacht hat zu seiner Zeit.
Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in das Herz des Menschen gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann, das Werk, das Gott tut weder Anfang noch Ende.
Wo wir beginnen, einander mit dem Herzen zu sehen und zu begegnen in Achtsamkeit und in Liebe, da wird es lichter, da werden wir gewahr, dass Gott alles schön gemacht hat zu seiner Zeit.
Gerade in Zeiten, in denen wir uns von liebgewordenen Gewohnheiten und von vertrauten Menschen trennen müssen, in Zeiten, die schwer auszuhalten sind und die auch verkraftet sein wollen, ist es hilfreich, nicht im Selbstmitleid zu verharren, sondern uns daran zu erinnern, dass Gott alles schön gemacht hat zu seiner Zeit.
Ja – die Erinnerung an schöne Zeiten, die uns Gott geschenkt hat, ist eine Kraft, die uns hilft, auch Schweres im Leben anzunehmen und auszuhalten. Mag sein, dass wir manches im Leben nicht verstehen.
Es gibt Widerfahrnisse, die wir nur schwer mit Gott und seinem liebenden Wirken zusammenbringen können. Auch darum weiß der Prediger, wenn er schreibt:
Der Mensch kann nicht ergründen das Werk, das Gott tut weder Anfang noch Ende. Nein, Gott ist immer größer, als wir mit unserer begrenzten Vernunft fassen können. Wer meint, er könnte Gott und sein Wirken berechnen, der verrechnet sich.
Gott selbst aber gibt sich uns inwendig zu erkennen – wie der Prediger sagt: Gott hat die Ewigkeit in das Herz des Menschen gelegt.
Wo immer wir Gott mit dem Herzen suchen und uns inwendig auf ihn und sein Wirken einlassen, da finden wir, was der Vergänglichkeit standhält und uns vor Resignation bewahrt.
Im Vertrauen auf Gott findet der Prediger die Antwort, nach der er so lange gesucht hat: Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als sich zu freuen und Gutes tun in seinem Leben. Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.
Freude am Leben im hier und jetzt und Gutes tun, das ist die Antwort, die der Prediger Salomo gibt, eine Antwort, die der Herausforderung der Vergänglichkeit standhält.
Daseinsfreude, in der auch das Wohl des anderen und der ganzen Schöpfung im Blick ist.. Gutes tun, das erinnert uns an den Wochenspruch, der uns in dieser Woche zur Begleitung gegeben ist, wo Paulus im Galaterbrief schreibt: Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.
Was wir einander an Liebe und Zuwendung geben, das hält der Vergänglichkeit stand und erfüllt uns mit Freude. Und dafür möchte ich heute der Gemeinde danken – am Ende eines Dienstes, wo ich viel Freude und Liebe erfahren habe und vielleicht auch weitergeben konnte.
Es waren gefüllte 10 Monate, die in Erinnerung bleiben und von denen ich sagen kann: Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit.
Was vergangen ist, können wir nicht zurückholen, aber wenn wir Gottes Spuren darin entdecken, Spuren der Liebe, dann leuchtet das Vergangene lange auf und gibt uns Kraft, wenn Tage kommen, die einem nicht gefallen.
Wie ich des öfteren schon gesagt habe, hat mich in den zurückliegenden 10 Monaten das Buch „Aufstieg auf den Berg Karmel“ von Johannes vom Kreuz begleitet.
Juan de la Cruz heißt der spanische Mystiker aus dem Mittelalter. Es geht in dem Buch um Hilfen, Gott zu erfahren. Gegen Schluss des Buchs kommt der Autor auf die Freude zu sprechen, die uns Gott auch in schwierigen Lebenslagen schenkt, wenn wir auf ihn ausgerichtet bleiben und seinen Frieden suchen.
Bezogen auf unser heutiges Bibelwort schreibt Johannes vom Kreuz:
„Es ist doch klar, dass es immer sinnlos ist, sich in Unruhe zu versetzen. Mag also alles dahinschwinden und untergehen, und mögen alle Dinge verkehrt und zuwider laufen, so ist es dennoch sinnlos, sich in Unruhe zu versetzen. Von daher sagt Salomo: Ich habe erkannt, das es für den Menschen nichts Besseres gibt, als fröhlich sein und Gutes tun in seinem Leben.
Damit gibt er zu verstehen, dass wir unter allen Umständen, mögen sie noch so widrig sein, uns lieber freuen als in Unruhe versetzen sollten, um nicht das Gut zu verlieren, das größer ist als alles Wohlergehen, nämlich die Gemütsruhe und den Frieden in allen widrigen und günstigen Umständen.“
Gott selbst schenke uns eine solche Freude, die frei macht von aller Unruhe und die auch in schweren Zeiten durchscheint.
Amen