Lesung: 1 Kor 11, 23-26 / Evangelium: Joh 13, 1-15
Schwestern und Brüder!
Gründonnerstag – im liturgischen Kalender steht da: Messe vom Letzten Abendmahl und Fußwaschung. Und manchmal wird man den Eindruck nicht los, als würden diese beiden wesentlichen Handlungen Jesu in einer Art Konkurrenzkampf zueinander stehen. Nun liegt es mir fern eine Predigt dahingehend zu halten, dass nun das gegenseitige Füße waschen das Abendmahl ersetzen würde. Mitnichten! Aber es ist doch auffällig, dass Johannes diesen letzten Abend, den Jesus mit seinen Jüngern verbringt, so ganz anders schildert als die anderen Evangelisten mit ihren Abendmahls-szenen. Für Johannes ist die Fußwaschung wichtiger als das Teilen von Brot und Wein, weshalb ihm deshalb manche Kritiker den Vorwurf machen, er würdige das Herrenmahl, unsere Eucharistiefeier, herab.
Interessant ist dabei, wie Petrus reagiert. Zuerst weist er es weit von sich, dass Jesus ihm die Füße waschen will, weil er es für eine unglaubliche Provokation hält. Füße waschen ist für ihn Drecksarbeit, also Arbeit der Sklaven. Unvorstellbar für Petrus, dass Gott sich so tief zu ihm herabbeugen will, denn das hieße ja auch für ihn die eigenen „Aufstiegshoffnungen“ ein ganz gewaltiges Stück zurückzuschrauben. Natürlich ist es schöner, sich am Tisch in die ewige Herrlichkeit zu träumen, als mitzuerleben, wie Gott in die dunkelsten Ecken menschlicher Existenz kriecht. Doch dafür steht Jesus und damit ist es ihm ernst, todernst sogar. Genau deshalb fragt er aber auch am Schluss: „Begreift ihr, was ich an euch getan habe?“ Und seine Schlussfolgerung lautet entsprechend: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ Das müsste das Grundgesetz unse-
rer Kirche sein; an dieser Aussage müsste sich jegliches Recht in unserer Kirche ausrichten.
Nun hat ja Papst Franziskus schon einige deutliche Zeichen genau in diese Richtung gesetzt. So zum Beispiel als er auf der Insel Lampedusa nach einem Bootsunglück, bei dem viele Flüchtlinge ums Leben kamen, ganz drastisch auf unsere Verpflichtung im reichen Europa hingewiesen hat, diesen Menschen solidarisch beizustehen und ihnen zu helfen. Seitdem hat sich auch schon vieles getan und die europäischen Länder nehmen weit mehr Flüchtlinge auf als je zuvor. Er hat in Süditalien bei einer Predigt die Mafia-Bosse vehement angegriffen und deutlich gemacht, dass sie sich selber aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen haben. Mit vielen weiteren Gesten und Zeichen hat er aufgezeigt, dass er die Not der Armen, die Anliegen der kleinen Leute ernstnimmt. Und all das hat unserem kirchlichen Leben – sogar bis in andere christliche Konfessionen hinein – wieder ein wenig Auftrieb gegeben.
Aber was ihm, wohl auch in der Kürze der Zeit, noch nicht gelungen ist, das ist die Kurie von seiner neuen Sicht zu überzeugen. Bei den letzten Bischofsernennungen in Deutschland hat zumindest in zwei Fällen keiner der Kandidaten auf der Dreierliste gestanden, die von den jeweiligen Domkapiteln nach Rom gemeldet worden waren. Auch was die Liturgie betrifft, scheinen sich noch keine Bewegungen abzuzeichnen. Man wird den Eindruck nicht los, als würden viele im Vatikan ganz bewusst auf stur schalten, die Impulse des Papstes sabotieren und wohl auch im Hintergrund ganz schön intrigieren – was der Papst ja auch bei seiner Ansprache vor Weihnachten im Kreis der kurialen Mitarbeiter mit drastischen Worten zum Ausdruck gebracht hat. Mit dem aber, so meine ich, was Jesus im heutigen Evangelium vertritt, hat ein solches Verhalten der Kurie und ihrer Mitarbeiter nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Sicherlich: Unstrittig ist, dass die Kurie und ihre Mitarbeiter kein Jota von
der derzeitigen Lehre der Kirche, was die Sichtweise der Sakramente und das Wesen und Leben der Kirche anbetrifft abweichen wollen, auch wenn sich diese Lehre im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert hat. Das nachzuweisen und mit Beispielen zu belegen ist gar kein Problem. Aber weil es diese unnachgiebige Sichtweise gibt sind Geschiedene, die wieder geheiratet haben, eben immer noch von den Sakramenten ausgeschlossen. Das wird zwar gottlob nicht überall mehr wirklich streng praktiziert, denn es gibt viele Pfarreien und Gemeinden – so wie auch uns hier – die den Betroffenen diesbezüglich gerne die Tür öffnen. Aber offiziell wird eben immer noch etwas anderes propagiert. So besteht weiterhin eine große Spannung zwischen der kirchlichen Lehre und dem Leben und Verhalten der Gläubigen. Wie schreibt Prof. Kos in einem Beitrag der Zeitschrift „Seelsorge“: „Die kirchliche Weigerung, homosexuelle Lebenspartnerschaften anzuerkennen, wird als Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung wahrgenommen. Das Verbot der Verwendung künstlicher Empfängnisverhütung wird von der Mehrheit der Katholiken abgelehnt … wobei gleichzeitig eine grundsätzliche Offenheit der Ehe für Kinder von der großen Mehrheit der Gläubigen bejaht wird.“ Man darf gespannt sein, ob die kommende Bischofssynode hier tatsächlich zu besseren, menschennäheren Antworten findet. Betrachtet man die derzeitigen Positionen mit dem Rat der K 8 um den Papst auf der einen Seite und die Haltung der erzkonservativen Kardinäle Müller und Burke auf der anderen Seite, dann kann man nur erahnen, wie hoch es im Herbst bei der Bischofssynode zugehen wird.
Ich frage mich eben: „Müsste uns nicht die Neigung der Kirche schmerzen oder zumindest nachdenklich stimmen, immer genau zu definieren, wer nun zum Tisch des Herrn geladen ist und wer außen vor bleiben muss? Muss uns nicht schmerzen oder zumindest nachdenklich stimmen, dass gerade das Liebesmahl Jesu zum Trennungsgrund unter uns Christen geworden ist? Zur Abgrenzung der Konfessionen? Dürfen wir uns als liebende Kirche wirklich anmaßen zu sagen: Geschiedene Wiederverheiratete dürfen nicht am Tisch Jesu sitzen? Wer weiß denn wirklich um die Tragik von Beziehungen, um die Problematik so mancher Partnerschaften? Nicht unbedingt die Herren, die gar nicht in einer solchen stehen. Ich jedenfalls möchte und werde mir nie anmaßen, Menschen von der Mahlgemeinschaft mit Jesus auszuschließen, sondern immer einladend dafür werben.
Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass wir uns als Kirche dieser Provokation Jesu stellen müssen. Es gehen uns ganz viele Menschen verloren, weil sie sich einer nur sturen und starren Moral schon lange nicht mehr unterstellen wollen und es auch nicht können, weil sie sie für sich selbst als falsch erachten und für nicht mehr menschengemäß halten. Denken wir doch einfach mal daran, wer denn damals alles im Abendmahlsaal gesessen ist: Da ist ein Petrus, der Jesus als Messias bekennt, von ihm „Fels“ genannt wird und der doch fast im gleichen Atemzug seinen Freund und Meister vor einer einfachen Magd verrät. Dann sind da Jakobus und Johannes, deren Mutter für diese beiden einen Ehrenplatz im Himmel haben wollte und die erkennen musste, dass sich Jesus eindeutig auf die Seite der armen Leute gestellt hat und keine Ehrenplätze vergibt. Dann ist da ein Thomas, der später die größten Zweifel an der Auferstehung hat und nicht zuletzt Judas, der ihn verraten und ausliefern wird.
Es sind allesamt Menschen, deren Schwäche Jesus zu ertragen und zu heilen bereit ist. Er verurteilt nicht, sondern er nimmt sie an wie sind. Genau eine solche Sicht- und Handlungsweise würde aber auch unserer Kirche gut anstehen. Amen.
Predigt am Gründonnerstag 2015 (02.04.)
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