Zündfunke, 07.11.14

Eine Geschichte, die Sie an Gott glauben lässt“, so verehrte Schwestern und Brüder, stand es auf dem Klappentext des Taschenbuchs – und das hat mich neugierig gemacht. Yann Martels „Schiffbruch mit Tiger“ – eine Geschichte vom Überleben:Pi Patel, Sohn eines indischen Zoobesitzers, wandert mit seiner Familie und einigen Tieren seines Zoos von Indien nach Kanada aus. Der Frachter mit den ungewöhnlichen Passagieren erleidet jedoch im Pazifischen Ozean einen gewaltigen Schiffbruch. Pi ist der einzige seiner Familie, der sich retten kann und überlebt. Nun muss er sich allerdings das Rettungsboot mit einem Zebra, einer Hyäne, einem Orang-Utan und einem Tiger teilen. Was folgt, das ist die Geschichte eines gnadenlosen Fressens und Gefressen Werdens. Am Ende überlebt der Junge nur, weil es ihm gelingt, mit dem Tiger Freundschaft zu schließen.

Nach seiner Rettung erzählt Pi seine Überlebensgeschichte zwei Versicherungsagenten, die den Hergang des Unglücks rekonstruieren. Doch die beiden nehmen dem Jungen seine Tierfabel nicht ab. Enttäuscht erzählt er eine zweite Version, diesmal ohne Tiere. Nun sind es vier Menschen, die in dem Rettungsboot ums Überleben kämpfen und sich dabei gegenseitig abschlachten. Eine zwar realistische, aber überaus brutale und grauenhafte Geschichte. „Welche war die bessere?“, fragt Pi die beiden Agenten. „Die mit Tieren“, sagen sie einhellig. Worauf der Junge nur entgegnet: „Genauso ist es auch mit Gott.“

Die Geschichte mit dem Tiger ist die bessere Version. Sie klingt zwar wundersam und reicht für die Versicherungsagenten als Erklärung wohl nicht aus, aber sie ist tröstlich und stimmt hoffnungsvoll. Auch der Glaube an Gott mag unrealistisch und wundersam wirken. Doch im Blick auf unsere Welt ist er die bessere Version. Eine Welt, in der Menschen sich gegenseitig zerfleischen, um überleben zu können, ist sinnlos und gottlos. Pi Patel hat während seiner Odyssee gelernt: Nur die Freundschaft mit seinem härtesten Nahrungskonkurrenten und natürlichen Feind lässt beide überleben. Das ist das, was Gott uns lehrt.

Wenn Sie übrigens den Film „Schiffbruch mit Tiger“ sehen wollen, dann merken Sie sich vor: Donnerstag, 11. Dezember um 17 Uhr. Da läuft er im Rahmen unserer Filmabende im Haus Michael.

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