Gemeindereferentin Andrea Bolz, Deutschsprachige Katholische Gemeinde Puerto de la Cruz
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir alle wissen, wie wichtig Wurzeln sind. Über-lebens-wichtig. Das zeigt die Pflanzenwelt. Je tiefer die Wurzeln reichen, desto leichter überleben Pflanzen einen regenarmen, heißen Sommer. Umso schwerer können Stürme Bäume ausreißen. Und noch etwas zeigt dieses Bild: Je tiefer die Wurzeln reichen, desto schwieriger wird das Umtopfen.Uns Menschen dagegen würde ich eher als Flachwurzler bezeichnen, die sich widerstandslos in eine Umtopfgesellschaft verwandelt haben. Heute dies und morgen das.
Und das gilt auch für die Religion:
Wir stehen ständig in der Gefahr, unsere Wurzeln zu vergessen, wir gehen zu unvorsichtig beim Umpflanzen unserer christlichen Werte mit unseren Wurzeln um und vergessen, wie zerbrechlich und feingliedrig sie sind.
Die ehemalige evangelische Landesbischöfin Margot Käßmann sagte einmal bei einem Evangelischen Kirchentag: „Nur wer Wurzeln hat, ist stark genug, den Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft zu begegnen, ist frei, Träume zu haben – Flügel der Freiheit sozusagen. Ich bin überzeugt davon, unser christlicher Glaube bietet uns solche Wurzeln und von ihnen her kann sich unser Leben beflügeln“.
Um aber Wurzeln in Flügel der Freiheit umzuwandeln, brauchen wir starke und standfeste Wurzeln; die sind zwar noch da – aber immer schwerer zu finden, gerade in Glaubensfragen und in Fragen der Werte und Normen in unserer Gesellschaft.
Alles hat sich an die Oberfläche gedrückt, wird dadurch anfällig und schwach.
Unsere tiefen Wurzeln aber liegen in der Tradition des jüdisch-christlichen Glaubens und diese Wurzeln sind stark. Die können auch heute noch tragen. Die stärkste und tiefste Wurzel dabei ist die Würde des Menschen, die einmalig und unverwechselbar ist.
Es darf durchaus hinterfragt werden, warum wir Menschen die Wurzeln der Pflanzen so behutsam anfassen, die Wurzeln der Menschen – also unsere eigenen – aber verdorren lassen?
Ich will nun nicht in die Klagelieder der heutigen Zeit einstimmen; nur darüber nachdenken, an was es wohl liegen könnte, dass unsere Wurzeln, die ich immer noch als ausreichend stark empfinde, von uns selber so schlecht behandelt werden? Wollen, können wir unsere Wurzeln nicht mehr akzeptieren? Aber nur wenn ich zu meinen Wurzeln ja sagen kann, nur dann können sie sich auch so stark entwickeln, dass sie mir die Freiheit geben, meine Träume leben zu können.
Zündfunke, 25.01.15
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