Was als traditioneller Abi-Streich begann, wuchs sich in der deutschen Schule auf Teneriffa zu einem handfesten kriminellen Übergriff aus. Von Schülern einer Abiturklasse wurde ihr letzter Schultag Ende Juni genutzt, um mal so richtig mit der Schule und den Lehrern abzurechnen und einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Das ist ihnen gelungen, und der dabei verursachte materielle Schaden geht in die Zehntausende, der moralische ist noch nicht abzuschätzen.
Honig wurde auf Tische und Bänke geschmiert, jüngere Schüler wurden mit blutigem toten Fisch beworfen, Bücher und anderes Schulmaterial, Mobiliar und technische Geräte wurden beschmiert und zerstört, teure Lexika wurden unbrauchbar gemacht, Wände wurden mit den Namen von Lehrern verziert, die als Huren und Homosexuelle beschimpft wurden, Graffitis mit vulgären Penis-Darstellungen vervollständigten das Bild. Die Schulleitung sah sich angesichts des Ausmaßes der Ausschreitungen gezwungen, die Polizei einzuschalten.
Stellt sich die Frage: Wie konnte das in einer Schule geschehen, die in hundertjähriger Tradition steht und sich besonders als Vermittler bester Werte sieht. In ihrem Leitbild führt sie als ersten Punkt auf: „Wir wollen unsere Schüler zu selbstständigen Menschen erziehen, die Verantwortung für sich und ihr Handeln übernehmen.“ Das wird man wohl, zumindest bei den am Übergriff beteiligten ehemaligen Schülern, als misslungen bezeichnen dürfen.
Die als elitär angesehene Schule hat momentan mindestens 80 Prozent Schüler spanischer Herkunft und weniger als 20 Prozent deutscher. Nach Aussage betroffener Eltern werden die in der Minderheit befindlichen deutschen Schüler zunehmend gemobbt, ohne dass die Lehrer entsprechend eingreifen. Eine Austauschschülerin äußerte sich dazu: „Wie es hier im Unterricht abgeht und wie die deutschen Schüler behandelt werden, habe ich noch nie erlebt“. Eine Mutter ergänzt: „Das ist nicht unbedingt als Akt des Rassismus einzustufen, sondern eher Ausdruck einer schlecht erzogenen neureichen Jugend, die auf das losgeht, was schwächer und in der Minderheit ist.“ Zunehmend brächten Eltern, die finanziell sehr gut gestellt sind, ihre Kinder auf diese Schule und glauben, dass sie ihre Kinder hier nur abgeben müssten und mit der Bezahlung alles erledigt sei. Andererseits gehörten sie aber auch nicht selten dem finanzierenden Schulverein an und setzten dort ihre eigenen Interessen durch. So müssten laut bestehender Statuten Schüler die Schule verlassen, wenn sie drei Verweise erhalten hätten. Es gäbe hier aber Schüler mit acht oder mehr Verweisen. Einige Eltern würden sich weniger um die Erziehung ihrer Kinder kümmern, als sich vielmehr über die Verweise beschweren, die ihre Kinder wegen Fehlverhaltens erhielten.
Die Schulleitung war auf Anfrage des Kanaren Express leider nicht bereit, sich zu den Vorfällen zu äußern. Es handele sich um schulinterne Vorkommnisse, die nicht informationswürdig seien. Anders sehen das Eltern von Kindern, die auch weiterhin diese Schule besuchen. Sie befürchten, dass sie nun für den entstandenen Schaden direkt oder indirekt aufkommen müssen. In einem Schreiben an die Eltern versichert die Schulleitung: „Natürlich werden Maßnahmen ergriffen werden, damit so etwas nicht noch einmal geschieht, und die Täter werden für ihre Handlungen zur Verantwortung gezogen werden.“ Dass allerdings die Einzelverantwortlichkeiten eindeutig bewiesen werden können, bleibt zweifelhaft, zumal einige der Eltern offensichtlich bereits ihre Anwälte mit der Vertretung ihrer Rechte beauftragt haben. Egal wie die rechtliche Klärung auch ausgeht, das Ansehen der Schule ist geschädigt, und auch das wird in die mehr als hundertjährige Geschichtschronik der Schule eingehen.
Kommentar
von Dietmar A. Hennig
Erst im Mai hatten 40 Schülerinnen und Schüler der Deutschen Schule von Santa Cruz de Tenerife das Abitur bestanden und wurden dafür geehrt. Wenige Tage später verwüsten einige von ihnen den Ort, an dem sie zu diesem Ergebnis geführt worden sind. Aus Übermut? Aus Frust? Worüber? Abi-Streiche sind keine Erfindung der Schüler der Deutschen Schule und zuweilen schießen diese auch über das Ziel hinaus. Doch in diesem Fall scheint der Topf geplatzt zu sein, in dem schon seit langem eine ungesunde Suppe vor sich hin köchelte. Auch eine Schule mit Tradition gerät in Schwierigkeiten, wenn sie bewährte Grundsätze aufgibt. Obgleich der Zweifel angebracht ist, ob elitäre Schulen überhaupt noch in unsere Zeit passen, können diese ihrem Anspruch nur dann gerecht werden, wenn sie tatsächlich elitär sind. Allein ein hohes Amt oder eine dicke Brieftasche vom Papa reichen da nicht aus, um zu den Besten zu gehören. Doch wenn das die Bildung und Erziehung in der Schule bestimmt, dann kann es schnell dazu führen, dass die Zöglinge den Realitätssinn verlieren und in völliger Überschätzung der eigenen Persönlichkeit solche kriminelle Energie entwickeln, wie bei diesem „Abi-Streich“. Allerdings kann sich die Schule ihrer Verantwortung auch nicht entziehen. Sie sollte zumindest die Prinzipien durchsetzen, die sie selbst für sich aufgestellt hat. Ansonsten wird es an dieser Schule bald keine Anmeldung von Schülern mehr geben, deren Eltern eine hochwertige Ausbildung mit anerkannten Abschlüssen für ihren Nachwuchs anstreben. Ein guter Ruf ist schwer erarbeitet, geht aber auch schnell verloren.
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