Dienstag, 22.11.2011

Andrea Bolz, Deutschsprachige Katholische Gemeinde Puerto de la Cruz

Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
König Adalbert III. von Ungarn beauftragte einst einen Gelehrten, die Geschichte des Landes zu schreiben. Es wurde ein für Ungarn bedeutendes Werk. Aber den Namen des Gelehrten wissen wir bis heute nicht. Denn er gab als Verfasser nur an: „Anonymus“ – „Anonymus“, der Anonyme, der Ungenannte. Ein Mann, der großes wirkte, sich aber bescheiden hinter seinem Werk verbarg. Ungenannt und doch bekannt durch das, was er schrieb. Im Stadtpark von Budapest steht sein Denkmal. Das Gesicht verschwindet im Dunkel der über den Kopf gezogenen Kapuze. Am Sockel steht „Anonymus.“ Ein aussagekräftiges Symbol – dieser Anonymus – für so manches Gute, das Menschen in aller Stille wirken.
Meist verbinden wir mit dem Wörtchen anonym eher etwas Negatives. Einer versteckt sich in der großen Masse, jemand möchte nicht erkannt werden, ein anderer zieht sich ins Private zurück, oder möchte keinen Kontakt mit den Nachbarn haben, halt anonym bleiben, für sich sein.
Menschliches Leben und Zusammenleben kann aber nur dann gelingen, wenn wir im Alltag aufmerksam füreinander sind, miteinander ins Gespräch kommen, wenn wir einander vertrauen und behilflich sind, uns mit dem anderen freuen und auch mit ihm mit leiden. Großes geschieht dort, wo Menschen verzeihen können, einander Mut machen und trösten und für ein menschenfreundliches Klima sorgen. Die wahre Größe dieser Art des Zusammenlebens zeigt sich aber im Anonymen und in der Stille. Helfende Hände, die keinen Wert darauf legen, dass überall bekannt wird, was sie tun. Menschen, die Zeit dafür investieren anderen zuzuhören, und dies nicht an die große Glocke hängen, Menschen, die sich für andere einsetzten und keinen Wert darauf legen, dass das ganze Dorf erfährt, wie selbstlos sie sich für andere einsetzen. Das entspricht genau dem griechischen Wort „onoma“ – und bedeutet: ungenannt, namenlos, unbekannt. Denn: „Die wahre Würde des Menschen ermisst sich nicht am Flittergold betörender Erfolge, sondern an der inneren Ordnung und am guten Willen.“ Das sagte der unvergessene Papst Johannes XXIII.