Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
“Wieso hast du denn wieder so getrödelt?“, mit dieser vorwurfs- oder auch sorgenvollen Frage wurde ich als Kind manchmal zu Hause von meiner Mutter empfangen, wenn ich mal wieder erheblich länger als nötig für den Schulweg gebraucht hatte.
Getrödelt – dieses Wort ist mir jetzt in einem anderen Zusammenhang begegnet. Da wurden die schönsten deutschen Worte gesucht. Und Trödeln gehört laut der Jury aus deutschem Sprachrat und Goetheinstitut dazu. Weil es schon so schön gemächlich klingt: TRÖDELN. Und es klingt auch ein wenig verschwenderisch. Laut Duden ist das ja auch die Bedeutung von Trödeln: Zeit verschwenden, langsam sein, sich langsam ohne festes Ziel irgendwohin bewegen.
Ich muss ehrlicherweise gestehen, ich möchte sie nicht missen, all die Trödeleien meiner Kindheit. Ohne sie wäre ich sommers vielleicht nie barfuß am Neckar gelaufen. Ohne sie wäre ich im Herbst nie mit dem Drachen über Wiesen gerannt und zeitweilig mit einem aufgespannten Schirm geschwebt. Und ohne trödeln hätte ich vielleicht nie die Schönheit der Schneeflocken erkannt. Trödeln – ein Wort, wie geschaffen für den Advent. Gerade für diese geschäftig hektische Zeit, die doch so nach Ruhe schreit. Eine Zeit, die verlangsamt werden will, die unter die Lupe genommen werden will um sie zu entschleunigen, um sie heilsam ziellos zu machen. Um die Zeit, meine Zeit, mein Leben unter die Lupe zu nehmen und genauer zu betrachten als sonst: Wohin renne ich eigentlich, für wen rackere ich mich ab, für was kämpfe ich denn? Der Advent ist eine Vorbereitungszeit, eine Vorbereitungszeit sicherlich auf Weihnachten, aber mehr noch auf eine große andere Zeit; eine Zeit, in der sich mein Leben schrittweise verändert, nach und nach. Weg vom Stress, weg von der Hektik, weg von Zwängen. Und immer wieder hinein in eine Zeit, die mir Räume eröffnet. Räume zu mir selbst, zu anderen und vielleicht auch zu Gott. Advent heißt Ankunft. Lange hab ich gemeint, ich muss etwas tun, damit sich auch religiös etwas bei mir tut, damit ich irgendwo ankomme. Bis ich gemerkt habe, das ist genau falsch. Religion hat nichts mit Leistung zu tun. Es hat lang gebraucht bis ich mir erlaubt habe, gerade im religiösen Bereich nichts zu tun, sondern etwas zu lassen; nämlich zuzulassen und loszulassen. Zu lernen, dass nicht ich etwas tun muss um anzukommen, sondern dass ich lasse, damit etwas bei mir ankommen kann.