Andrea Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Liebe Schwestern und Brüder!
Unser Alltag ist geprägt von Ritualen, die wir mehr oder weniger bewusst wahrnehmen. Die selbstverständlichen Dinge, wie Begrüßungen und Abschiede, ein Guten Tag, Hallo, ein Wiedersehen und Tschüss sind so selbstverständlich, dass wir sie oft nur gedankenlos von uns geben. Ein Händedruck, eine Umarmung aber sind eigentlich mehr als nur ein Guten Tag, wie geht es dir. Sie wollen ausdrücken, dass wir mit genau diesem Menschen, dem wir gerade jetzt begegnen, in einer Beziehung stecken. Auch wenn die einzelnen Begegnungen nur sehr kurz sind. Dadurch lässt sich eben auch die Stimmung unseres Gegenübers erfühlen. Und wir spüren, ob genau er uns in dieser Situation wohl gesonnen ist, uns freundlich empfängt oder eher reserviert, oder dass es ihm wirklich gut, oder sehr schlecht geht. Anders ist es mit dem sogenannten Smalltalk, beim Bäcker, mit der Kassiererin im Supermarkt oder dem Kellner im Restaurant – aber bedeutungslos sind solche losen Begegnungen trotzdem nicht. Ist es nicht so, dass wir dort viel lieber einkaufen, wo uns die Verkäuferin anlächelt, uns dort in die Kassenschlange einreihen, wo die Kassiererin nicht nur die Ware, die sie über das Band zieht, anschaut, sondern zumindest ein freundliches „Guten Morgen“ über die Lippen bringt? Telefonierendes Bedienungspersonal und unfreundliche Kassiererinnen, bei denen ich das Gefühl habe, ich bin unerwünscht – weil mit Arbeit verbunden – versuche ich zu vermeiden und kaufe dort auch nicht mehr ein. So können die sogenannten Floskeln, denn mehr ist es eigentlich nie, doch auch sehr wohltuend sein. Worte, die gut tun, auch von mir fremden Menschen. Solche Rituale haben mehr Bedeutung für uns, als uns bewusst ist. Es ist nämlich nicht gleichgültig, mit welchem Gesicht, mit welcher Haltung wir durch die Welt gehen. Und das gilt selbstverständlich auch für uns selbst, denn eine Verkäuferin, die immer nur missmutige Gesichter vor sich hat, muss schon sehr viel Geduld und Mühe aufbringen, um zum nächsten Kunden trotzdem wieder freundlich und nett zu sein. Sich als Menschen wahr zu nehmen, sich in Freundlichkeit zu begegnen, ein freundliches Wort zu wechseln, ein Lächeln auf den Lippen, und ein Lächeln übrig zu haben für den anderen Menschen – das ist nicht nur ein Ritual – das ist ein Geschenk – mitten im Alltag.
Zündfunke, 03.01.15
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