Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Karfreitag, verehrte Schwestern und Brüder, da denken wir an das Verhör Jesu, an seine Verurteilung und an seinen Kreuzweg hinauf nach Golgotha, wo er schändlich an diesem Marterpfahl – nichts anderes war das Kreuz – hingerichtet wurde. Ich möchte aber heute Ihren Blick nicht auf das Kreuz, sondern auf etwas anderes lenken, was in uns normalerweise Zärtlichkeit, Liebe und Zuneigung hervorruft – einen Kuss.Sind Sie heute vielleicht sogar mit einem Kuss geweckt worden? Es ist ja ein Feiertag und die ein oder der andere hat heute mehr Zeit als sonst. „Guten Morgen, mein Schatz; ich liebe dich.“ Eine schöne Vorstellung! So manch Ungeküsste oder auch so manch Ungeküsster hört das jetzt vielleicht voller Neid. Aber Hand auf’ s Herz: Wer könnte denn schon auf’ s Küssen verzichten? Auch in der Bibel wird viel geküsst. So lautet eine Regel im ersten Petrusbrief, dass die Christen sich mit dem Kuss der Liebe grüßen sollen (1.Petr. 5,14). „Kuss der Liebe“ – gibt es denn auch andere Küsse? Leider ja. Und genau da muss ich Ihnen nun vom Kuss des Judas erzählen.
Er ist der Verräter im Kreis der zwölf Jünger. Über seine Gründe ist ja verdammt viel spekuliert worden. Manche unterstellen ihm niedere Motive wie Geldgier. Andere meinen, er habe eine politische Entscheidung herbei zwingen wollen. Wenn es hart auf hart geht, wenn Jesus um sein Leben fürchten muss, dann muss er doch endlich den Volkskrieg ausrufen und die römische Besatzungsmacht aus dem Lande jagen! Hat er nicht immer wieder vom Reich Gottes gesprochen? Wie dem auch sei, letztlich wird Judas ein ewiges Rätsel bleiben.
Er führt das Kommando der Häscher zum letzten Aufenthaltsort Jesu, dem Garten Gethsemane. Es ist ll man den Gesuchten im ungewissen Licht der Fackeln erkennen? „Der, den ich küssen werde, ist es“, sagt Judas (Matth.26,48). Und so geschieht es. Jesus wehrt sich nicht. „Mit einem Kuss verrätst du den Menschensohn?“, fragt er Judas. Kaum etwas ist bitterer, als wenn dich dein Freund oder deine Freundin heimtückisch verrät. Ein so gebrochenes Vertrauen hinterlässt tiefe Wunden. Deshalb gilt der Gestalt des Judas für alle Zeiten tiefste Abscheu.
Und doch bleibt da eine Frage. War Judas vielleicht nur ein Werkzeug in der Hand Gottes? Einer, der die schmutzige Arbeit tun musste? War es sein Schicksal, diese Rolle im Werk der Erlösung spielen zu müssen? Dann wäre sein Kuss irgendwie auch ein Kuss der Liebe? Und wir müssten ihm dafür dankbar sein? Spüren Sie es? Judas ist ein beunruhigendes Thema – nicht nur heute.
Zündfunke, 03.04.15
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