Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Übersetzt ist das Wort Toleranz schnell, verehrte Schwestern und Brüder, denn es kommt vom lateinischen tolerare, und meint: dulden, ertragen. Aber bei der Bewertung der Toleranz, da scheiden sich die Geister. Vor allem, wenn es um Toleranz in religiösen und ethischen Fragen geht. Hier kommt schließlich ein folgenschweres Problem ins Spiel: Was ist wahr? Was ist richtig? Muss ich auch das tolerieren, was ich für falsch halte? Bei dem Münchener Moraltheologen Konrad Hilpert habe ich einen einprägsamen Satz gefunden: Keine Toleranz für Intoleranz. Wer selber die Würde von Menschen missachtet, hat keinen Anspruch, damit geduldet zu werden, geschweige denn respektiert. Hier stößt Toleranz an ihre Grenze. Denn hier würde sie zum Handlanger der Intoleranz.
Was ist aber, wenn tatsächlich Toleranz und Wahrheit in Spannung zueinander stehen? Was ist z.B. mit Toleranz innerhalb der Kirche? Verschiedene theologische und ethische Positionen führen ja auch hier zu Konflikten. Muss man sie vermeiden? Das hätte in jedem Fall einen hohen Preis: Denn: entweder die kirchlichen Autoritäten verurteilen alles Abweichende als falsch bzw. schlecht – das geht dann aber zu Lasten der Gewissensfreiheit. Oder man verzichtet überhaupt darauf, Denken und Tun zu bewerten. Anything goes. Alles geht irgendwie. Aber damit würde die Kirche nicht mehr Position beziehen. Und nicht mehr sagen, was sie im Blick auf Jesus und die Bibel für wahr und richtig hält, und was für falsch und schlecht. Und damit würde sie einen Teil ihrer selbst aufgeben.
Wer im Bereich des Glaubens nach Gemeinsamkeit strebt, muss deshalb einen anderen Weg einschlagen. Einen Weg nämlich, der das Gewissen der Einzelnen respektiert und doch an der Frage nach dem Wahren und Richtigen festhält Auch in der Kirche zielt Toleranz nicht auf Harmonie um jeden Preis. Und ihr Ziel ist erst recht nicht, Vielfalt zu unterdrücken. Es gehört zur Toleranz, Gegensätze auszuhalten und Konflikte zu riskieren. Mit Spannungen leben gehört dazu und mit ungelösten Fragen. Und immer wieder nach vertretbaren Lösungen suchen und einmal gefundene Standpunkte neu und besser formulieren. So wird Toleranz eine Zumutung, die weiterbringt. Letztendlich ist sie eine Form des Glaubens an den Heiligen Geist. Daran, dass Glaube etwas Lebendiges ist. In der Kirche und über sie hinaus.
Zündfunke, 08.01.15
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