Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Was, verehrte Schwestern und Brüder, meinen Sie, ist denn ihr größter Fehler? In den Fragebögen, die Prominenten ab und an vorgelegt werden, taucht diese Frage häufig auf. Sinn und Zweck des Ganzen? Wir Leserinnen und Leser sollen etwas Einblick gewinnen in das Innenleben dieser Promis. Nun haben Sie sich beim Lesen eines solchen Fragebogens vielleicht auch schon mal gefragt, was würde ich denn da aller Voraussicht nach antworten? Was ist ihr – also in diesem Falle – mein größter Fehler?Erfolgsmenschen antworten auffallend oft, dass sie sehr ungeduldig seien – wobei das aber immer so wirkt, als würden sie damit keinen Fehler, keine Untugend einräumen, sondern nur ihren Willen zum Erfolg unterstreichen. Und die Ungeduld, zu der sie sich bekennen, die wirkt dann wie eine Schwäche, auf die man stolz ist und die man gerne eingesteht; man trägt sie fast schon wie eine Anstecknadel am Revers des Erfolges. Und weshalb? Weil dahinter doch nur der starke Willen steckt, schnell eine Lösung zu finden. Denn die größte Abneigung die man hat ist die, etwas auf die lange Bank zu schieben.
Verständlich, dass so jemand sich oft aufgehalten und genervt fühlt durch Menschen, die zögern und zaudern, die Zeit brauchen für reifliche Überlegung. Also sogenannte Bedenkenträger! Der Zaudernde steht in keinem guten Ruf – und deshalb gibt es natürlich auch eine Vielzahl von Ratgeber-Bücher, die dem Unentschlossenen helfen wollen; zum Beispiel: „21 Wege um sein Zaudern zu überwinden und in weniger Zeit mehr zu leisten“.
Doch jetzt wurde vor kurzem ein Buch in den höchsten Tönen gepriesen, das sich positiv über das Zaudern äußert und den Zauderer lobt. Ich wollte es sofort kaufen, aber es war vergriffen. Ich wurde ungeduldig, aber ich hatte jetzt Zeit, um mir in Ruhe zu überlegen, ob ich das Buch denn tatsächlich kaufen will. Werde ich es wirklich lesen oder will ich es
nur besitzen?
Immerhin habe ich ohne dieses Buch schon gelernt: Wahrscheinlich geht es genau um diese Verzögerungen, in denen ich meine Gewohnheiten infrage stelle. Denn so entstehen Spielräume, in denen ich entdecken kann, es könnte auch ganz anders sein. Oder ich stelle fest: der angebliche Zeitdruck ist künstlich aufgebaut, damit ich nicht zur Besinnung komme und nicht kritisch nachfrage.
Haben also Zaudern und Zögern durchaus ihre guten Seiten? Ich glaube: ja. Ich fühle mich jetzt jedenfalls darin bestärkt, ernster zu nehmen, wenn jemand zögert; ernster zu nehmen, wenn einer sagt: „Ich bin innerlich noch nicht so weit!“ Oder „Ich möchte lieber nicht!“ Und ich will ernster nehmen, wenn ich in mir ein Unbehagen spüre und innere Widerstände. Vielleicht ist das Glück ja nicht immer nur auf Seiten der tüchtigen Ungeduldigen, sondern auch bei denen, die innehalten und abwarten und reifen lassen können.
Zündfunke, 11.03.15
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