Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Der Advent, liebe Schwestern und Brüder, ist für Christen die Vorbereitungszeit auf das Fest der Geburt Jesu. Vorbereitung auf die Ankunft Gottes in unserer Welt, in der Wirklichkeit. Fatal wäre nur, wenn er da ankommt – in der Wirklichkeit, und ich gar nicht da bin. Die biblische Geschichte erzählt, dass Gott in die rauhe Wirklichkeit des Lebens kommt. Jesus wird als uneheliches, obdachloses Kind in einer Notunterkunft geboren. Gott geht also nicht in eine geschützte Zone des Lebens. Er flüchtet nicht in eine heile Welt. Im Gegenteil. Ich dagegen fliehe schon. Immer wieder. Ich lebe mit Wünschen und Vorstellungen, wie ich mich gerne hätte: jung und leistungsfähig, klug und intelligent, schön und sportlich. Dabei mache ich die Erfahrung, dass ich dabei unbarmherzig sein kann. Mit mir und mit den Menschen in meiner Umgebung: Wenn ich genauer darüber nachdenke habe ich ja auch eine Vorstellung, wie die anderen, meine Kollegen und Freunde sein müssten – und das ist gar nicht böse gemeint. Aber ich sehe sie halt einfach lieber so, wie ich sie gerne hätte. Und nicht, wie sie wirklich sind.
Und dann die Welt. Ich will nicht jeden Tag Schreckensbilder in den Nachrichten sehen; mir sind gute Menschen lieber, eine Welt, in der jeder das Wohl der Gemeinschaft im Blick hat. Und ich merke es jetzt schon, wenn ich davon rede, drunter mach’ ichs nicht. Scheinbar gibt es für mich nur diese beiden Alternativen: In eine heile Welt fliehen oder die Realität verurteilen und mich enttäuscht von ihr abwenden. Da scheint dieser Gott ganz anders zu sein. Er kommt in die Welt, wie sie ist, zu den Menschen, wie sie sind. Und er verurteilt niemanden. Aber er macht in der rauhen Wirklichkeit deutlich, dass er an die guten Potentiale der Menschen glaubt. Ohne Leistungsdruck aufzubauen oder sich in Wunschvorstellungen zu verlieren, sieht er die Wirklichkeit des Menschen und weckt die Sehnsucht nach mehr. Für mich bedeutet Advent, daß ich versuche diesen Weg zu gehen und in meiner Wirklichkeit anzukommen, ohne mich und andere abzuwerten. Mir hilft dazu, am Abend auf meinen Tag zurück zu blicken und zu sehen, was wirklich ging und was nicht. Ohne ein Urteil über mich und die Menschen zu sprechen. Es genügt vielleicht schon, zu versuchen in der Wirklichkeit anzukommen, damit Gott mich auch dort
vorfindet, wenn er kommt…
Zündfunke, 17.12.14
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