Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen guten Morgen, wünsch ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder!
Einen Heidenspaß hatten die beiden Freundinnen und nach dem dritten Bier ging es bei ihnen so richtig ab. „Du glaubst gar nicht, wie viel wir noch zu lachen haben!“, sagt die eine. Und die Andere? Die strahlt wie ein Honigkuchenpferd, weil es ihr seit Monaten mal wieder so richtig gut geht. Denn seit sie sich von ihrem Mann getrennt hat, lebt sie eigentlich unter Dauerstress. Immer wieder ruft er sie an, bedrängt und bedroht sie, reißt sie mitten in der Nacht aus dem Schlaf und macht ihr Vorhaltungen und Vorwürfe. Aber seit einer Woche hat sie Ruhe und diese ist ihr nun fast schon unheimlich. Sie fühlt sich wie das berühmte Kaninchen, welches vor der Schlange sitzt und fürchtet, dass es wieder von Neuem losgeht. Doch mit ihrer Freundin in dieser Eckkneipe, da geht’s ihr richtig gut. Da hat sie keine Angst mehr und das Kaninchen entdeckt auf einmal, dass sie selber eine Schlange sein kann.
„Mach es doch!“, sagt die Freundin. „Terrorisiere du ihn doch mal! Anonyme Anrufe, Drohbriefe. Der kommt doch nie im Leben drauf, dass Du das bist!“ Eigentlich genial! Selber mal zur Schlange zu werden und einfach den Spieß umzudrehen. Man muss das mal erlebt haben, nach so viel Angst und auch Demütigung; dieses Gefühl von Freiheit, dass man könnte, wenn man wollte!
Eigentlich ist das, was ich da in einem Kurzroman gelesen habe, eine echte Versuchungsgeschichte. Wie damals bei Jesus. Zu dem kommt ja auch der göttliche Gegenspieler, der sogenannte Teufel und bietet ihm alle Macht der Welt an. Er muss eben nur bereit sein, auch mal was Schlimmes zu tun. Halt lieber Schlange sein, als das Kaninchen.
Jesus hat das Angebot abgelehnt. Nicht, weil er moralisch gut sein wollte; in so einer Situation geht es nämlich weit mehr als nur um Moral. Jesus hat abgelehnt, weil er frei sein wollte. Weil er genau gemerkt hat: Böses tun, das macht nicht frei. Es bindet vielmehr an das Böse. Es macht, dass man sich ständig rechtfertigen muss, z.B. vor seinem Gewissen. Rache üben tut erst mal gut, weil es einem das Gefühl von Macht gibt. Aber auf Rache verzichten, freiwillig – das ist eine viel größere Macht.
Und weshalb? Weil es frei macht für das Leben. Frei für das Gute. Und was die Rache angeht? Vergessen wir’s. Denn im Guten gibt es diese Gedanken nicht und vielleicht schafft Gott ja auch eine Veränderung beim anderen! Trauen wir es ihm doch einfach zu!
Zündfunke, 21.02.15
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