Predigt zum 5. Sonntag im Jahreskreis 2015 (08.02.)

Lesung: Hiob 7,1-4.6f / Evangelium: Mk 1, 29-39
Schwestern und Brüder!
Mal ganz ehrlich: Wie oft haben Sie schon einen Satz mit „ja, aber“ angefangen – und bei welcher Gelegenheit? Ein solches „aber“ bedeutet ja immer: Einspruch gegen etwas erheben; es bedeutet Verneinung von etwas oder jemandem – meint: Gegenstellung beziehen. Dieses „Aber“ schränkt eine Aussage ein oder macht sie oftmals sogar wieder ungültig. Manchmal spukt dieses „aber“ fast unscheinbar durch unsere Köpfe und es taucht vor allem dann auf, wenn wir uns auf dem besten Weg zu unserem Glück, unserer ureigenen Wahrheit oder zu uns selbst befinden – und dann, dann spielt es Opposition in uns. Beispiele dafür gibt es genug:
Da wird ein Traum in unserer Seele wach und schwuppdiwupp gibt es Stimmen die sagen: „Aber so geht es nicht!“ Da ist zum Beispiel jemand, der meint, mit Händen greifen zu können, wozu er berufen ist – und sofort melden sich die inneren Stimmen: „Aber das darf man doch nicht!“ Oder da ist jemand der glaubt zu wissen, wie sie oder er leben sollte. Und sofort regnet es Vorwürfe wie: „Aber was denken denn die Leute!“Und dann sind da noch all die, die damit zu kämpfen haben, dass es heißt: „Aber so etwas tut man doch nicht.“
Diese Gegenreden können bei der ein oder dem anderen bei uns ganz unterschiedlich ausfallen. Manchmal lauten sie auch: „Aber ich bin zu dumm“ oder: „Aber ich kann das nicht“ oder: „Aber mich kann eh niemand leiden.“ Es sind Sätzchen, die uns regelrecht überfallen, uns beherrschen und gegen die wir uns oft nur schwer zur Wehr setzen können. In diesen Stimmen werden in uns die „Abergeister“ laut – was das altertümliche Wort für „Dämonen“ ist. Sie regieren in unseren Herzen und machen uns das Leben oft so schwer, dass man davon krank werden kann – im wahrsten Sinne des
Wortes.
Von einem solchen „Abergeist“ erzählt uns nun – davon bin ich überzeugt – auch das heutige Evangelium, in dem es um keine geringere Heilung geht, als jene der Schwiegermutter des Petrus. Schwiegermütter sind ja nun ein ganz eigenes Thema, wer würde mir da nicht beipflichten. Aber die Heilung dieser Frau ist wirklich etwas besonderes, weil sie ja auch eine ganz besondere Geschichte mit dem hat, der sie hier heilt. Lassen Sie mich das einfach ein wenig näher erklären:
Ich meine, es braucht gar nicht so viel an Phantasie, um sich auszumalen, was da im Haus des Petrus wohl los war. Der Haussegen hing gewaltig schief, denn der, der das Geld nach Hause bringt und die Familie versorgt, der hat ja gerade seinen Beruf gewechselt. Aus dem Fischer ist ein Menschenfischer mit überaus zweifelhafter beruflicher Perspektive geworden. Im Hintergrund klingt da bei mir auch die Aussage mit, die Petrus später einmal halb erwartungs-, aber auch halb vorwurfsvoll so äußern wird: „Wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt.“
Alles verlassen und ihm nachfolgen – schön und gut. Aber wie es den Familien damit ergangen und was aus ihnen geworden ist, davon erzählt die Bibel nichts. Ich denke aber schon, dass man sich ausmalen kann, wie es wohl den Müttern und Kindern zumute gewesen sein muss: Plötzlich stehen sie quasi von einer auf die andere Minute ohne Mann und Vater da, weil der auf einmal die Midlife-Crisis oder supertolle Ideen hat und deshalb einem – vorsichtig ausgedrückt – ungewöhnlichen Wanderprediger hinterherläuft und sich vom Geld anderer Leute aushalten lässt. Es fällt ja schon mehr als schwer zu akzeptieren, wenn ein Mensch, dem man in Liebe verbunden ist, von heut auf nachher ganz ungewohnte und mitunter ganz unverständliche Wege einschlägt. Aber wie mag das wohl erst sein, wenn diese Wege buchstäblich auf dem eigenen Rücken ausgetragen werden? Wie wird man mit so etwas fertig? Wie kann man sich damit abfinden? Kann man zu einem solchen Menschen überhaupt noch ein liebevolles „Ja“ sprechen?
Das heutige Evangelium lässt uns einen Blick in das Haus des Petrus werfen und macht uns zu Zeugen einer Begegnung, die sicherlich von eminenter Spannung und Brisanz geprägt war. Auf der einen Seite die kranke Frau, die mit Fieber im Bett liegt und deren Arbeitskraft die Familie seit dem Weggang des Schwiegersohnes so bitter nötig hat. Und auf der anderen Seite ist da der Mann, der den Schwiegersohn in ihren Augen auf Abwege gebracht hat; der Mann also, der die Ursache all dieser familiären und häuslichen Probleme ist. Von dem soll sie sich helfen lassen? Das ist schon viel verlangt! „Aber das kommt doch gar nicht in Frage…“
Was dann geschieht, sollte man sich einfach mal bildlich und am besten noch in Zeitlupe vorstellen. Dieser Mann, der die Schuld an der ganzen Misere trägt, er reicht ihr die Hand. Was hat sie wohl dabei gedacht, gespürt und empfunden? Wie viele „aber“ kamen in diesem Moment wohl in ihr hoch? Wie lange musste er ihr wohl die Hand entgegenstrecken, bis sie sie endlich erfassen konnte? Welche Blicke werden die beiden wohl getauscht haben? Wer schon einmal in ähnlicher Situation war, der weiß sehr wohl, dass hier Sekunden zur Ewigkeit werden können; dass da der kranken Frau hunderte von „Aber-Gedanken“ durch den Kopf gegangen sein müssen – angefangen von ihrer Krankheit, über ihre Angst vor der Zukunft, ihr ganzer Ärger und ihre angestaute Wut, die ganze verfahrene Situation; andererseits dann aber auch ihr dringender Wunsch, wieder gesund zuwerden, weil sie doch gebraucht wird und weil sie einfach auch wieder glücklich und zufrieden sein will. Die ausgestreckte Hand ergreifen – das ist einerseits so leicht und fällt doch so unendlich schwer. Vielleicht hat sie auch für sich gedacht: „Lass mich in Ruhe; du bist doch schuld an der ganzen Situation. Hast meinem Schwiegersohn Flausen in den Kopf gesetzt, dass der nicht mehr weiß wo er hingehört. Deinetwegen lieg ich doch hier und komm nicht mehr auf die Beine.“
Vielleicht fragen Sie sich jetzt, was denn nun das Wunder an dieser Erzählung ist. Und auf den ersten Blick scheint glasklar zu sein, dass es darin begründet liegt, dass die Schwiegermutter vom Fieber befreit wurde. Das ist sicherlich auch nicht falsch. Aber auf den zweiten Blick – und das soll das Wunder in keinster Form schmälern – liegt es für mich eigentlich darin, dass sie die ihr angebotene Hand nicht ausschlägt. Es mag für uns etwas gewöhnungsbedürftig sein, eine solche Handlungsweise als Wunder zu bezeichnen. Zu sehr beziehen wir diesen Begriff auf Machttaten und spektakuläre Ereignisse, die wir nicht erklären können. Aber ich glaube eben auch, dass Menschen, die sich schon mal ähnlich gefühlt haben wie diese Frau oder sich noch so fühlen, dass diese Menschen letztendlich den versöhnenden Händedruck mit der Person, mit der sie so über Kreuz lagen oder liegen, als Wunder verstehen und begreifen. Wie oft sprechen wir vom Frieden und von Versöhnung und wie oft zerplatzen all unsere guten Absichten wie Seifenblasen? Eine Hand annehmen – noch dazu von jemandem, der mir in meinen Augen Schlimmes angetan hat – das kostet unendlich viel Überwindung. Vor allem: man kann es weder von jemandem verlangen, noch kann man es unbedingt erwarten.
Gerade deshalb aber habe ich größten Respekt vor dieser Schwiegermutter. Heilung kann auch Versöhnung sein; das JA sagen zu etwas, was unausweichlich geworden ist. Heilung ist dann auch der endgültige Schlussstrich unter das, was war und gleichzeitig der hoffnungsvolle Blick in die Zukunft. Oder anders gesagt: Das heutige Evangelium steht exemplarisch für den Weg der Nachfolge, wie sie ein Mensch mal ganz anders erfährt, als es uns die Berufungsgeschichten der Jünger Jesu sonst schildern. Der ganz persönliche Nachfolgeweg der Schwiegermutter des Petrus umfasst Enttäuschung, Wut, Krankheit und Neubeginn. In der Krankheit, in der Krise, in der Begegnung mit Jesus, der ihr wie so vielen anderen fremd und doch gleichzeitig auch so nahe ist, da findet sie ihren Weg. Da lernt sie ihre „Abergeister“ zu besiegen und ihren Weg zu gehen. Sicher auch in dem Bewusstsein, dass die Stimmen des Zweifels und der Verneinung durchaus mal wieder in ihr aufkommen können. Aber sie hat gelernt, der Stimme Gottes zu trauen und ihr ohne „wenn und aber“ Platz in ihrem Leben einzuräumen.
Wie die Frau geheißen hat, ist leider nicht überliefert. Und darüber bin ich besonders froh. Denn wenn wir uns jetzt nicht so sehr auf die „Schwiegermutter“ – noch dazu des Petrus – fixieren, sondern auch den „Schwiegervater“ gedanklich zulassen, dann könnte diese Person auch ihren oder meinen Namen tragen. Amen.

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