Es war im Sommer, als ich bei Freunden in Deutschland zu Besuch war. Die waren arbeiten, das Wetter schlecht und ich las in einem Buch, als das Telefon klingelte: Am anderen Ende hieß es: „Guten Tag, mein Name ist Schmitz und ich mache eine Umfrage im Auftrag eines Wirtschaftsinstituts.“ Und dann folgen Fragen zum Einkaufs- und Konsumverhalten, die sich langsam zum Einkommen vorarbeiteten und in der Frage gipfelten: Sind Sie auch der Auffassung, dass Sie zu viel Steuern zahlen? Spätestens hier roch ich dann den Braten: Der Anrufer wollte mir Tipps und Tricks zum Steuersparen verkaufen. Die Umfrage selbst, die war nur ein Vorwand. Die ersten dieser Anrufe habe ich noch freundlich abgewiegelt; aber sie nahmen in wenigen Tagen so sehr überhand, dass ich beim letzten schroff wurde und gleich zu Beginn sagte, ich sei mit der Höhe meiner Steuern zufrieden. Verblüffte Rückfrage: „Zahlen Sie wirklich gern Steuern?“ Meine Antwort: „Ja“. Dann gab es da nur noch ein verständnisloses Seufzen in der Leitung und ein grußloses Ende des Gesprächs.
Zahle ich aber wirklich gerne Steuern? Wenn ich ehrlich – nein, nicht wirklich. Wer lässt sich denn schon gerne freiwillig einen wesentlichen Teil seines Einkommens abzwacken. Andererseits: Jeden Tag benutze ich – ob in Deutschland oder hier – den steuersubventionierten öffentlichen Nahverkehr; ich vertraue auf den Schutz von Polizei und Feuerwehr und meine Kinder durften kostenlos die Schule besuchen – bis wir dann hier waren. Wovon aber soll das denn alles bezahlt werden, wenn nicht von meinen Steuern und denen vieler anderer? Ist es da nicht eine merkwürdige Haltung, die Steuern als eine Art Geldstrafe misszuverstehen, der man sich mit allen Tricks entziehen sollte? Ist es denn nicht ungerecht, alle Leistungen des Gemeinwesens in Anspruch nehmen und zugleich sich aller Steuerlasten entledigen zu wollen?
„Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist“, wird Jesus in der Bibel zitiert. Man darf diesen Satz nicht überdehnen, aber er heißt bestimmt nicht: Enthaltet dem Kaiser, also dem Staat vor, was auch immer ihr ihm vorenthalten könnt. Es ist kein Zeichen anerkennenswerter Klugheit oder Pfiffigkeit, sich arm zu rechnen oder arm zu stellen, um möglichst wenig Steuern zu zahlen – selbst wenn dies legal ist und von vielen praktiziert wird. Zu recht werden die Firmen kritisiert, die sich einerseits mit der Verlagerung von Firmensitzen und Verlusten in die Steuerfreiheit manövrieren, andererseits aber alle Vorteile des Standorts Deutschland in Anspruch nehmen wollen. Und man darf sich nichts vormachen: Die Steuern, die der eine spart, werden am Ende bei dem hereingeholt, der sich nicht gegen die Besteuerung wehren kann. Nein, ich zahle nicht gerne Steuern. Aber ich halte es für gerecht, wenn ich mir ansehe, welche Leistungen der Steuerstaat erbringt. Gebt also dem Kaiser, was des Kaisers ist, damit er seine Aufgaben auch künftig erfüllen kann.